Samstag, 15. Oktober 2011

Eine fantastische Geschichte

Die kleine Ballerina

Vom Eingesperrtsein und vom Träumen


Esist schon ein tragisches Leben, geboren als kleine Ballerina lebt siein einer Kiste. Sie mag die Kiste, an ihr kann man nichts schlechtes finden. Überall hängen kleine Bilder und kleine Spiegel an den Wänden und sogar eine Vase mit kleinen roten Tulpen steht auf einemTischchen. Auch Kleidung hat man ihr schöne gegeben. Sie trägt ein rosanes Kleidchen mit einem weißen Strumpfhöschen darunter und schwarze Ballettschühchen. Ihr kleiner Dutt sitzt eng am Kopf. Doch es lässt sie nicht streng aussehen. Im Gegenteil, die Frisur betont ihr perfekt geformtes Gesichtchen. Ihre Äuglein sind groß und dunkelbraun, ihre Lippen sind geschwungen und voll, aber nicht zu voll, das würde sie zu erwachsen aussehen lassen. Sie sieht nicht aus wie ein Kind, aber erwachsen ist sie noch lange nicht. Ihre Leidenschaft ist das Tanzen, was bleibt ihr auch sonst? Jeden Tag,wenn man ihre kleine Welt öffnet und die Musik anfängt zu spielen,beginnt sie zu tanzen. Sie dreht sich und dreht sich und dreht sich und hört erst wieder auf wenn die Musik den letzten Ton von sich gibt. Ihre Ärmchen sind dabei nach oben gestreckt. Ihre Beinchen stehen ganz eng aneinander. Ihre Füßchen sind gespreizt, sodass ihre Zechen den Boden berühren. Wenn die Musik dann nicht nocheinmal zu spielen beginnt, weiß sie dass ihre Welt gleich wieder dunkel werden würde. Wie die Nacht, nur viel länger, wie die Polarnacht, nur viel ungemütlicher. Jedes Mal steht sie dann im Dunkeln und wartet darauf, dass man ihr Licht wieder anmacht, dass sie erneut tanzen darf. Sie fürchtet sich dann auch manchmal. Ganz still vor Angst steht sie da. Plötzlich erscheinen die kleinen Bilder nicht mehr so einladend, die kleinen Tulpen werfen seltsame Schatten und in den kleinen Spiegeln sieht sie eine komische Gestalt,die bloß ganz still dasteht und sich nicht regt. Auch wenn sie mit der Zeit garnicht mehr so gerne tanzt und das Lied, auf dem sie zu tanzen beginnt schon in ihren kleinen Ohren dröhnt, wünschst sie sich in solchen Momenten zu tanzen. Sie wünscht sich Licht. Sie möchte nicht noch einmal dieses Lied hören, dass sie jeden Tag ihres Lebens immer und immer wieder hören muss, auch wünscht sie sich nicht sich zu drehen, im Kreis, immer und immer wieder. Ihr wird schwindelig davon. Das Strumpfhöschen ziept an ihren kleinen Beinen und der Dutt zieht an ihren Haaren, sodass sie Kopfschmerzen bekommt. Doch all das lässt sich ertragen. Nie hat sie etwas anderes gekannt und nie wird sie etwas anderes kennenlernen. Doch was ihr die meisten Sorgen bereitet ist ihre Einsamkeit. Nie hat sie jemanden mit dem sie reden kann, immer nur sieht sie in riesige Gesichter , die lachen und viel zu laut für ihre kleinen Ohren das schreckliche Lied mitsingen. Nie könnte sie auch nur ein Wort mit ihnen Wechseln. Sie versteht das was sie sagen, aber sie selbst wird nie verstanden. Könnte sie sich durch ihre Mimik Aufmerksamkeit verschaffen, so hätte sie dies längst getan. Stattdessen steht sie dort und lächelt alle freundlich an. Dabei will sie garnicht freundlich sein. Sie möchte in diese riesigen Gesichter spucken (auch wenn das wenig nützen würde) und ihnen in ihre riesigen Ohren schreien, dass man ihr das Licht nicht wieder nehmen sollte oder dass man ihr einen Freund besorgen soll. Einen Freund. Das war es was die kleine Ballerina am allermeisten wollte. Und theoretisch hätte sie sogar die Möglichkeit einen zu finden. Theoretisch. Jedes Mal wenn das Licht in ihre Welt kommt und sie anfängt zu tanzen und sich zu drehen, sieht sie imVorbeifliegen jedes Mal einen kleinen Bären, der sie anzustarren scheint. Nur ein verwischtes Bild, aber es reicht um sehen zukönnen,dass er sie versteht. Sobald die Musik ihren letzten Ton von sich gibt, versucht die kleine Ballerina schnell nach ihm zu rufen,aber da geht auch schon wieder das Licht aus in ihrer kleinen Welt.
Sokommt es, dass Tage oder Wochen, die kleine Ballerina weiß es nicht genau, vergehen ohne auch nur ein Lebenszeichen vom Bären zu erhalten. Eines Tages allerdings geschieht ein großes Wunder. Das Mädchen, das die Öhrchen der kleinen Ballerina schon viel zu oft an ihre Grenzen getrieben hat, wird von weiter weg gerufen. Sie solle sofort ins Bett gehen und aufhören herumzuspielen. Da fürchtet die kleine Ballerina wieder einmal in die Dunkelheit ihrer kleinen Welt verbannt zu werden. Das Mädchen läuft fort, endlich Stille. Das Lied hat aufgehört zu spielen und auch die schrille Stimme des Mädchens ist nicht mehr zu hören. Die kleine Ballerina schaut sich um und sieht zum ersten Mal in ein riesiges Zimmer, ohne dass dieses verschwommen nur an ihr vorbeizieht. Da begreift sie, dass man sie heute verschont hatte, dass sie heute nicht voller Angst in der Dunkelheit zu stehen braucht. Sie freut sich, und zum ersten Mal ist das aufgemalte Lächeln auf ihren ach so schönen Lippen ehrlich und nicht gestellt. Sie versucht sich umzusehen, doch aus irgendwelchen Gründen kann sie sich nicht bewegen. Sie schaut ansich herab. Da wird ihr vieles Erschreckendes klar. Ihre Füßchen mit ihren gespreizten Zehchen sind am Boden festgemacht, was sie auch tut, sie kann sich nicht bewegen. Auch ihre Ärmchen und ihr Köpchen bleiben starr wie zuvor auch. Da fängt die kleine Ballerina sobitterlich an zu weinen, dass ihr dicke blaue Tränchen die roten kleinen Wangen herunterlaufen. Sie schluchzt so laut, dass sie fürchtet das Mädchen könnte sie hören und zurückkehren. Als sie gerade versucht sich zu beruhigen, hört sie eine leise Stimme etwas weiter im Raum. Sie lauscht. Da erkennt sie plötzlich, dass ihr der Bär direkt gegenüber sitzt. In einem riesigen Regal neben riesigen Büchern guckt er sie mit großen Augen an. Sie traut sich erst nicht etwas zu sagen und lächelt ihn nur schüchtern an. Wie das Lächeln eines Kindes, das einer fremden Person vorgestellt wird. "Warum weinst du denn, kleine Ballerina?", fragt der Bär. "Ich.."und als sie das sagt und der Bär sie erwartungsvoll ansieht, weiß sie, dass er sie versteht. Ihre Freude ist groß und sie vergisst warum sie eben noch geweint hatte. "Ach ich weiß auch nicht.", sagt sie und fügt noch schnell hinzu: "Du bist also der Bär! Ich habe dich schon ziemlich oft gesehen weißt du?" "Ich habe dich auch gesehen. Jeden Tag. Jedes Mal wenn Lisa den Deckel deiner Kiste geöffnet hat, bist du herausgesprungen und hast dich gedreht. Du kannst ja soooo schön tanzen! Ich liebe es dirzuzusehn!" Die kleine Ballerina ist geschmeichelt und ihre kleinen roten Wangen werden noch röter als zuvor. "Vielen Dank. Auf Dauer würde ich aber schon ganz gerne mal etwas anderes tun. Was machst du denn so den ganzen Tag?", fragt sie. "Ich sitze hier den ganzen Tag herum. Solangsam fängt der Staub an mir in der Nase zu kribbeln! Achja und ich sehe dir zu." Darauf weiß diekleine Ballerina nichts zu sagen, denn der Bär tut ihr Leid und sie kann ihn nur allzu gut verstehen. "Aber nachts, wenn alleschlafen und ich sicher sein kann, dass niemand hereinkommt, laufe ich manchmal herum und erlebe tolle Abenteuer!" Die Miene der kleinen Ballerina hellt sich auf. "Ehrlich?" "Ja, dannerforsche ich das Zimmer, seh mir alles an und suche die anderenKuscheltiere.", sagt der Bär. "Und? Findest du denn die anderen Kuscheltiere?", fragt die kleine Ballerina erstauntnach. "Nein, das ist es ja, niemand ist mehr da. Damals, als Lisa noch ein ganz kleines Mädchen war, war dieses Regal voller Kuscheltiere. Sie waren alle meine Freunde. Da war der Elefant, derHase, das Schäfchen. Sie alle waren meine Freunde und nun sind sie fort." "Und warum sind sie fort?", fragt sie traurig."Ich glaube Lisa mag keine Kuscheltiere mehr. Ich sah wie sie sie alle einsammelte und in einen großen Pappkarton schmiss."Die kleine Ballerina kann sich gut in die Situation der anderen Kuscheltiere hineinversetzen, denn sie lebt selbst in einer Kiste undweiß wie grauenvoll es ist eingesperrt zu sein. "Und warum bist du dann noch hier?" "Weil ich ihr liebstes Kuscheltier war.Jede Nacht saß ich bei ihr im Bett und habe ihr beim schlafen zugesehn. Sie sagte sogar sie könne nicht schlafen ohne mich.Deshalb nahm sie mich auch manchmal mit in den Urlaub, in andere Häuser oder sogar in den Garten! Es war eine so schöne Zeit, dochplötzlich, eines Tages sagte sie, "so Bär, ich denke ich bin jetzt wirklich zu alt um mit einem Kuscheltier zu schlafen, was sollen denn meine Freundinnen denken? Aber ich setze dich hier insRegal und hole dich heraus, immer dann wenn ich spielen will!",erzählt der Bär. "Und? Hat sie noch mit dirgespielt?" "Kein einziges Mal. Ich sah zu wie sie sich Barbiepuppen kaufte, wie diese dann irgendwann durch einen riesigen Schminktisch ersetzt wurden und die Puppen in einen Pappkarton gelegt wurden." "Du tust mir Leid.", sagt die kleine Ballerina und guckt zu Boden um ihr Mitgefühl zu zeigen. "Ich hatte noch nie einen Freund, weißt du?" Da steht der Bär auf,greift mit seinen puschigen Händen nach dem Brett im Regal, auf dem er steht und hangelt sich so langsam bis auf den Boden hinab. Er durchquert das Zimmer und kommt auf die kleine Ballerina zugelaufen.Dann streckt er seine Arme aus und umarmt die kleine Ballerina. Ihr Köpfchen wird gegen flauschigen Stoff gedrückt und ihr Körper ist vollkommen hinter seinem versteckt. Als der Bär seine Arme zurücknimmt, sagt er: "Nun hast du einen Freund." Diekleine Ballerina strahlt den Bären an und wünschst sich er würde sie gleich nocheinmal in seine Arme nehmen. "Kannst du dich denn garnicht bewegen, kleine Ballerina?" Da wird ihr kleines Gesichtwieder ganz traurig. "Nein, ich bin festgemacht in meiner kleinen Kiste und komme nie wieder heraus. Ich werde auch nie etwas anderes tun können als tanzen." Die kleine Ballerina tut dem Bären leid und er sagt: "Hör zu, morgen Nacht komme ich zu dir ins Regal und nehme dich mit auf eins meiner Abenteuer." "Wie willst du denn das machen?", fragt sie. "Na ich nehme dich einfach auf meine Schulter. Du kannst dich nicht bewegen? Das musst du auch garnicht!" Er lächelt sie an, wie ein Kind, voller Vorfreude und Leichtsinn. Als der Bär in sein Regal zurückkehrt,weil beide zu müde sind um weiter zu reden, sagt die Ballerina:"Gute Nacht lieber Bär, mein Freund." Und der Bär antwortet: "Gute Nacht, kleine Ballerina, meine Freundin."Mit einem breiten Lächeln auf den Lippen sinkt sie in den Schlaf und ihr kleines Herz wird warm wie nie zuvor.
Sie wacht auf - in Dunkelheit. Noch immer ist ihr kleines Herz erwärmt vom Abend zuvor und so fürchtet sie die gespenstischen Schatten an den Wänden nicht. Heute nicht. Und heute Nacht erst recht nicht. Sie denkt darüber nach was der Bär gesagt hatte und sie malt sich das schönste Erlebnis ihres kläglichen Lebens aus. Endlich hat sieeinen Freund. Einen echten richtigen Freund, denkt sie sich. Am Abend steht sie immer noch in ihrer kleinen dunklen Welt. Da plötzlich geht der Deckel ihrer Kiste auf. Doch was sie sieht ist nicht dasflauschige Gesicht des Bärens, sondern das runde, viel zu stark geschminkte Gesicht des Mädchens. Da muss sie wieder tanzen. Sie dreht und dreht und dreht sich und freut sich schon am Anfang ihresTanzes darauf,dass er endlich enden würde und sie, sei es auch nurfür eine Sekunde, einen haschenden Blick auf ihren Freund werfenkönnte. Die Musik wird langsamer und auch ihre Umdrehungen verlierenan Geschwindigkeit. Irgendwann bleibt sie dann stehen und sieht indas Regal gegenüber des Zimmers. Sie sieht Bücher und Cds, einige Zeitschriften sind auch dabei. Klack. Dunkelheit. Wieder das Zimmerchen, wieder die Schatten. Doch sie denkt nur daran, dass ernicht da war. Er war einfach nicht mehr da. Dabei sitzt er doch nurden ganzen Tag dort, hatte er gesagt. Er war einfach nicht mehr da.Noch die ganze Nacht wartete die kleine Ballerina, doch niemand kamum sie auf den Schultern durch das Zimmer zu tragen.
Undniemals hatte der Bär auch nur ein Abenteuer in diesem Haus erlebt.Und niemals hätte er gedacht man würde ihn, ihr allerliebstes Kuscheltier, einfach so in einen Pappkarton setzen und fortschicken.

Undvielleicht wird auch sie irgendwann überflüssig sein, Vielleichtwird auch irgendwann niemand mehr mit ihr spielen wollen. Vielleichtwird ja auch sie dann in einen riesigen Pappkarton gestellt und inden Keller getragen. Und vielleicht, mit ein bisschen Glück, ist dasgenau der Pappkarton in dem auch der Bär schon sitzt und auf siewartet.
Ist man eingesperrt, so bleibt einem nichts als zu träumen...











5 Kommentare:

  1. Ich weiß nicht warum einige der Wörter einfach zusammengeschrieben wurden! Hab alles überprüft, aber anscheinend hat blogspot das so automatisch umgeändert, keine Ahnung, hoffe es ist trotzdem lesbar =)

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  2. Schöner Blog & Tolle Geschichte :)
    Bin Leserin geworden :D

    Schau doch mal bei mir vorbei: www.binzis-buecher.blogspot.com

    LG

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  3. Oh das ist so lieb! :) Freu mich voll!
    Natürlich werd ich mal vrobeischaun ;)

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  4. WOW
    Wunderschöner Blog!!! Dank Eve bin ich drauf gestoßen und hab mir jetzt endlich mal die Zeit genommen, mir alles durchzulesen und ich bin absolut begeistert...
    Bitte stell mehr rein und bitte auch Songtexte... Und schau mal, du hast jetzt auch noch Binzi, Ginny und mich noch neben Eve als Leser :)
    Ich würde mich total freuen, wenn du auf Facebook in unsere Gruppe "Junge Autoren" kommen würdest. Und falls du auch mal auf meinen Blog schauen würdest ... http://ellis-literaturwelt.blogspot.com/
    Ganz liebe Grüße, Elli

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  5. Kann mich Elli nur absolut anschließen! :D
    Und schon wieder hast du einen Leser mehr! ;)
    Würde mich auch freuen, wenn du mal auf meinen Blog schauen würdest:
    http://meine-lesewelt.blogspot.com/
    Viele Grüße Selina

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